Von der Kunst sich lieben zu lassen – Geschenk das Glaubens (Efa am 8. März 2009)

Die Liebe tötet das, was wir waren, damit wir sein können, was wir nicht gewesen sind. (Augustinus)

1.      Von der Kunst sich lieben zu lassen –

2.      Das Geschenk des Glaubens – Glaube als Geschenk

3.      Das Geschenk des Glaubens – (Der) Glaube schenkt

 

Von der Kunst sich lieben zu lassen –

Sich Lieben lassen – eine Kunst?

Puppen haben es da vielleicht leichter!

Um das zu verdeutlichen eine andere kurze Geschichte, die John Ortberg, ein Pastor aus den USA, von der Puppe seiner Schwester erzählt und die viele von uns so oder ähnlich kennen:

Sie hieß Pandy. Sie hatte den größten Teil ihrer Haare verloren, besaß nur noch einen Arm und sah insgesamt ziemlich mitge­nommen aus. Sie war die Lieblingspuppe meiner Schwester Bar­bie.

Sie hatte nicht immer so schäbig ausgesehen. Einmal war sie ein persönlich ausgewähltes Weihnachtsgeschenk einer lieben Tante gewesen, die extra in ein großes Kaufhaus im fernen Chi­cago gereist war, um sie zu finden. Ihr Gesicht und ihre Hände bestanden aus einem gummiartigen Kunststoff und sahen aus wie echt, aber ihr Körper war mit Stofflumpen ausgestopft, damit er sich weich und kuschelig anfühlte wie ein echtes Baby. Als meine Tante Pandy im Schaufenster dieses Kaufhauses sah, wusste sie, dass sie etwas sehr Gutes gefunden hatte.

Als Pandy jung war und nach etwas aussah, liebte Barbie sie.

Sie liebte sie mit einer Liebe, die für Pandy leider zu viel war. Wenn Barbie abends zu Bett ging, lag Pandy neben ihr. Wenn Barbie zu Mittag aß, saß Pandy neben ihr am Tisch. Wenn Bar­bie es schaffte, dann nahm Pandy auch ein Bad zusammen mit ihr. Aus Pandys Sicht war Barbies Liebe zu dieser Puppe eine schicksalhafte Leidenschaft.

Als ich Pandy kennen lernte, war sie keine besonders attrak­tive Puppe mehr. Um die Wahrheit zu sagen: Sie befand sich in einem üblen Zustand. … Aber aus irgendwelchen Gründen, die sich dem gesunden Menschenverstand entzogen, liebte meine Schwester diese Puppe immer noch. -- wie Kinder eben manchmal sind. Sie liebte die verschlissene Pandy noch genauso wie in ihren besten Tagen. Andere Puppen kamen und gingen; aber Pandy war ein Fami­lienmitglied.

Wenn man Barbie liebte, musste man auch ihre Lumpenpuppe lieben. Die beiden gab es nur im Sammelpack.

Einmal fuhren wir im Urlaub von Rockford in Illinois, wo wir wohnten, nach Kanada. Auf dem Rückweg merkten wir kurz vor der Grenze von Illinois, dass Pandy nicht bei uns war. Sie war im Hotel in Kanada zurückgeblieben.

Es gab keine andere Möglichkeit. Mein Vater wendete umge­hend, und wir fuhren hunderte von Kilometern zurück nach Ka­nada. Wir waren eine hingebungsvolle Familie. Vielleicht nicht besonders intelligent, aber sehr hingebungsvoll.

Wir stürmten in das Hotel und durchsuchten mit dem Ange­stellten an der Rezeption die ganze Lobby - keine Pandy. Wir rannten in unser Zimmer - keine Pandy. Wir rannten die Treppe wieder hinunter und suchten die Wäscherei ab - und dort war Pandy. Eingewickelt in Betttücher und kurz davor, zu Tode ge­waschen zu werden.

PP! Die Liebe meiner Schwester zu dieser Puppe war so groß, dass sie den ganzen Weg in ein anderes Land reiste, nur um sie zu retten.

Die Jahre vergingen, und meine Schwester wurde älter. Sie wuchs aus Pandy heraus. Sie tauschte sie gegen einen Freund na­mens Andy ein (der seltsamerweise noch unattraktiver war als Pandy).

Lange Zeit stand Pandy nicht mehr sehr hoch im Kurs und da schien es nur logisch, sie wegzuwerfen. Aber das konnte meine Mutter nicht übers Herz bringen. Sie nahm Pandy noch ein letz­tes Mal in die Arme, wickelte sie mit ganz besonderer Sorgfalt in Seidenpapier ein, legte sie in eine Schachtel und bewahrte sie zwanzig Jahre lang auf dem Dachboden auf.

Ich hatte als Kind alle möglichen Spielsachen und Stofftiere, aber meine Mutter bewahrte kein einziges davon auf. Doch Pandy sie hob auf. Und wissen Sie, warum? (Als ich jünger war, dachte ich, dass es vielleicht daran lag, dass sie meine Schwester, diese Göre, mehr liebte als mich).

Barbie liebte diese kleine Lumpenpuppe so sehr, dass diese Lieb die Puppe kostbar für jeden machte, der Barbie liebte. All dies Tränen und Umarmungen und Geheimnisse verwoben sich irgendwie mit dem verschlissenen Stoff, aus dem sie bestand. 

Wenn man Barbie liebte, musste man auch Pandy lieben.

Es vergingen weitere Jahre. Meine Schwester heiratete (niet Andy, zum Glück) und zog fort. Sie bekam drei Kinder. Da dritte Kind war ein kleines Mädchen und hieß Courtney. Court ney erreichte bald das Alter, in dem sie eine Puppe haben wollte

Es gab keine Frage: Barbie fuhr nach Hause nach Rockfore stieg auf den Dachboden und holte Pandys Schachtel hervor. Z diesem Zeitpunkt war Pandy eher ein Bündel Lumpen als ein Puppe.

Also brachte meine Schwester sie in Kalifornien in eine Puppenklinik (dort gibt es tatsächlich so etwas) und ließ sie operie ren. Pandy wurde einem Facelifting, oder was auch immer ma bei Puppen macht, unterzogen, und bald war sie auch äußerlic wieder so schön, wie sie in den Augen des Menschen, der si liebte, immer gewesen war. Ich weiß nicht, ob sie auch für Bar bie schöner war, aber jetzt war es zumindest für andere Men schen möglich zu sehen, was Barbie immer in Pandy gesehen hatte.

Als Pandy neu war, liebte Barbie sie. Sie feierte ihre Schön heil. Als Pandy alt und verschlissen war, liebte Barbie sie imme noch. Ihre Liebe war reifer geworden.

Barbie liebte Pandy nicht einfach, weil sie schön war, sondern sie liebte sie mit einer Liebe, die Pandy Schönheit verlieh. PP

 

Ist es wirklich eine Kunst sich lieben zu lassen? Wohl schon. Es fällt uns gar nicht so leicht.

Wir ahnen schon, dass wir auf Wertschätzung und Anerkennung angewiesen sind. Das hat das Experiment von Friedrich der II. (1212-1250) grausam gezeigt: Ein Zeitzeuge beschreibt sein Experiment wie folgt: Seine Wahnidee war, dass er herausfinden wollte, welche Sprache und Mundart die Kinder hätten, wenn sie heranwachsen würden, ohne je mit irgendwem sprechen zu können. Daher befahl er den Ammen und Nährmüttern, die Kinder zu säugen, sie zu baden und zu reinigen, aber ihnen niemals zu schmeicheln oder mit ihnen zu reden. Er wollte nämlich erfahren, ob sie die hebräische Sprache sprechen würden, welche die erste gewesen war, oder die griechische oder die lateinische oder die arabische, oder ob sie nicht immer die Sprache ihrer Eltern sprechen würden, von denen sie abstammten.
Doch er bemühte sich vergebens, denn die Kinder starben alle. Denn sie konnten nicht ohne den Beifall, die körperliche Zuwendung, die freudlichen Gesichter und die Schmeichelein ihrer Ammen und Nährmütter leben.

Wir suchen die Anerkennung: Du bist es wert, dass du lebst, die Rechfertigung für unser Leben. Die Wertschätzung: Ja du bist wertvoll. So öffnen wir den Briefkasten und hoffen auf solch eine Nachricht, dass wir etwas besonders gut gemacht haben, dass jemand uns endlich mal schreibt, dass wir unersetzlich sind. So hören wir unsere Mailbox ab oder schauen in unsere Mails und hoffen auf so eine Nachricht.

 

Aber zugleich misstrauen wir dem Leben. Wir glauben nicht, dass es jemanden gibt, der uns so bedingungslos liebt wie Pandy ihre Puppe. Ja, wir gewinnen ständig den Eindruck, dass wir es eigentlich wirklich nicht wert sind. Nach außen schaffen ich es den Anschein zu wahren. Aber innerlich bin ich unsicher und zerrieben.  Und so sind Menschen seit allen Zeiten empfänglich für Ideologien und Menschen und Dinge, die sie abhängig machen wollen, die mir  sagen: Zumindest wenn Du das oder jenes denkst und tust bist du wertvoll. Und die mich so in die Abhängigkeit führen: Menschen, Ideologien wie im 3. Reich, Drogen, Medien, Arbeit (workoholic), …

 

Interesant, dass auch die moderne Wissenschaft vom Menschen, die Anthropologie den Menschen nicht mehr von seinen Fähigkeiten – anfangs gerne von seinem aufrechten Gang oder von seiner Intelligenz (home sapiens) definiert, sondern ihn als Mängelwesen beschreibt, weil ihm die Instinkte fehlen, sich in dieser Welt sinnvoll zu bewegen, weil er viel mehr von dieser Welt wahrnimmt als er aktuell zum Überleben braucht und durch diesen Überschuss an Weltwahrnehmung verwirrt durch die Gegend irrt. Man spricht deshalb gerne in der Anthropologie davon, dass der Mensch bedürftig bzw. angewiesen sei. Als Christ nehme ich das natürlich gerne auf und behaupte: Die Bedürftigkeit des Menschen zielt letzten Endes auf die Liebe Gottes. Es gibt im Menschen eine Leerstelle, eine Sehnsucht, die nur von dieser Liebe zu füllen ist. Der Mensch ist in seinem letzten auf Gott ausgerichtet.

Aber stehen wir vor dem gleichen Problem: Wir tun uns schwer mit der Kunst uns lieben zu lassen. Obwohl jedes Kind lernt, dass man Liebe nicht kaufen kann, haben wir es lieber wenn man uns bewundert für das, was wir haben und können und schaffen.  

Wir haben doch immer wieder neu den Eindruck, dass wir zunächst etwas darstellen oder leisten müssen bevor wir geliebt, anerkannt und wert geschätzt werden. Und so wollen wir es uns und anderen beweisen, was wir können. Wir wollen doch nicht als schwach oder hilfsbedürftig gelten. So schreibt Fabian Vogt in dem Buch „Aufbruch zum Glauben“:

 

PP Ich lasse mir nichts schenken.

Das habe ich nicht nötig.

Ich schaffe das alleine,

ich kriege das schon hin.

Komm, bitte verschon mich!

Was werden die anderen denken?

Auch, ich soll zu schwach sein?

Ich brauche das nicht.

 

PP Geben ist seliger als Nehmen! Ha!

Schwach sein ist schwerer als stark sein.

Vertrauen ist größer als Wissen.

Lieben ist einfacher, als sich lieben zu lassen.

Viele haben das Lebensmotto „Niemanden etwas schuldig bleiben“.  Wenn jemand einem eine Gefälligkeit tat, musste man sich erkenntlich zeigen. Konsequent hieß das dann: Wenn mir jemand eine Gefälligkeit erweist, will er was! Mindestens die schöne Uhr aus dem Wohnzimmer, wenn ich mal tot bin.

Auch beim Gleichnis vom verlorenen Sohn finden wir einen Menschen wieder, dem es schwer fällt sich lieben zu lassen. Finden wir uns selber wieder. Es ist der ältere Sohn, der der zu Haus bleibt, der die Arbeit macht, der sich auf den Äckern des Vaters verausgabt, während sein Bruder das Erbe seines Vaters in der großen weiten Welt durchbringt. Für ihn ist die Sache klar: Ich mache hier die Drecksarbeit. Ich schufte jeden Tag, von morgens bis abends bin ich auf dem Feld. Wenn ich nach Hause komme: Waschen, Abendessen, etwas mit Mutter plaudern und dann ins Bett. Jeden Tag sorge ich dafür, dass der Laden am Laufen bleibt. Ohne mich würde hier alles zusammen brechen. Alle bei uns daheim machen sich ein gutes Leben und ich muss mich abrackern. Alle schieben eine ruhige Kugel in der Firma. Wenn ich nicht wäre …  Mein Bruder, der, der lebt das süße Leben, der verprasst das Geld, der lässt es sich gut gehen. Die anderen, denen geht es gut. Ich habe nicht einmal Zeit für ein Festle, so viel gibt es zu tun. Meine Eltern müssen mächtig stolz auf mich  sein! Sie müssen mich lieben und meinen Bruder können sie nicht mehr lieben, nachdem was der getan hat.

Ja, in der Tat waren seine Eltern stolz auf ihn. Sein Vater war dankbar für all das, was sein Sohn für ihn und seine Frau tat. Ab und an wunderte er sich, dass er nicht mal etwas weniger arbeitete, mal ein wenig Urlaub machte oder abends mit Freunden ausging. Aber er war gar nicht zu bremsen. Er verstand ihn nicht immer, es war schwer mit ihm ins Gespräch zu kommen, er war verschlossen, ein Eigenbrötler. Aber so war er halt. Er liebte ihn so wie er war. Und genauso liebte er den jüngeren Sohn. Es tat weh, dass er weggegangen war, es tat weh, dass er sein Erbe eingefordert hatte und damit gesagt hatte: Ich wünsche mir, dass Du tot bist. Aber er liebte ihn. Und jeden Tag schaute er, ob er den wiederkomme. Und als er zurückkam, freute er sich ein Loch in den Bauch. Er gab ein Fest, er tanzte und jubelte, weil der Verlorene wieder gefunden wurde. Und der ältere Bruder? Er war sauer. Hatte er nicht jahrelang seinem Vater geholfen. Hatte er nicht mehr Liebe als sein Bruder verdient. Und hier lag sein Fehler: PP Liebe kann man nicht verdienen. Sein Vater liebte ihn wie seinen Bruder; den einen nicht mehr als den anderen. PP Liebe kann man nicht bemessen, schon gar nicht nach Leistung. Sein Vater war ihm dankbar, sein Vater hatte Respekt vor seiner Zähigkeit und Ausdauer. Aber mehr Liebe als die eine Liebe konnte er ihm nicht geben. Und diese Liebe gibt jedem der beiden Söhne ihren Wert und ihre Würde, ihre Liebenswürdigkeit. Sie sind beide angesehene Menschen, weil er sie ansieht. Ich bin ein angesehener Mensch, weil Gott mich ansieht. Sie sind ein angesehener Mensch, weil Gott sie ansieht.PP Und das gilt für jeden Menschen: ob jung oder alt, ob demenzkrank, ob behindert oder erfolgreich: Er ist angesehen, weil Gott ihn ansieht.

Der Vater in diesem Gleichnis ist Gott. Er liebt uns. Das hat er gezeigt. Er hat sich auf den Weg zu uns gemacht, aus dem Himmel auf die Erde. Er hat noch viel mehr getan als die Familie von John Ortberg, die hinderte von Kilometern wegen Pandy umkehrte. Er ist vom Himmel auf die Erde herabgestiegen. Er hat sich für uns zerrissen und  sich selber in den Riss gestellt, der zwischen uns und ihm aufgegangen ist. Weil er uns liebt, sind wir liebenswürdig. Weil er uns ansieht, sind wir angesehen. Weil er uns liebt, sind wir schön.

Im tiefsten sehnen wir uns danach, dass jemand bedingungslos „Ja“ zu uns sagt. Und vieles was wir tun, machen wir wie der ältere Sohn im Gleichnis, damit wir bewundert und bestaunt werden. Aber all das bringt hier nicht weiter, weil Liebe nicht erkauft oder erleistet oder  verdient werden kann.

 

Gott liebt uns mit einer Liebe, die uns Schönheit verleiht.

Es gibt Tage, da fühle ich mich wie eine Lumpenpuppe. Ich bin unaufmerksam gegenüber den Menschen, die mir nahe sind, ein schlechter, ungeduldiger Zuhörer, habe mal wieder etwas vergessen, gerate in Stress, laufe müde und träge durch den Tag. Und Gott sieht mich an wie Barbie ihre Pandy – und ich bin in seinen Augen schön! Meine Schüler in der Unter- und Mittelstufe lasse ich das gerne in ihr Heft schreiben und dann sind sie stolz darauf: PP Gott liebt mich und in seinen Augen bin ich NAME schön. Setzen Sie ihren Namen ein.

 

Damit die Liebe Gottes zu uns kommt, damit sie Auswirkungen hat – und Liebe hat Auswirkungen, sie kann einen umhauen, berauschen, stark machen, froh machen, sie schmeißt alles durcheinander, plötzlich sind ganz andere Dinge wichtig und interessant - das weiß jeder der schon einmal verliebt war, - braucht es aber mehr als die bloße Mitteilung. Bei der zur Kenntnis nehmen: Wenn ich Liebe nur zur Kenntnis nehme, verfliegt sie, kommt sie nicht an, bewegt nichts!

 

Das Geschenk des Glaubens – Glaube als Geschenk

 

Damit die Liebe ankommt in meinem Leben, damit sie Wirkung zeigt, braucht es den Glauben Ich verlasse mich darauf, ich lasse mich darein fallen, wie wir es beim letzten Efa gelernt haben. Sich rückwärts in die geöffneten Arme fallen lassen und erwarten, dass das klappt. Das ist Glaube. Wie man Liebe nicht kaufen kann, so kann man auch Glauben nicht kaufen.  Wie man Liebe nicht erzwingen kann, kann man auch Liebe nicht erzwingen. Liebe kann auf den ersten Blick geschehen oder sich langsam entwickeln. Glaube auch. Liebe und Glaube sind  nicht kontrollierbar, planbar, machbar, vorhersehbar. Sie sind ein Abenteuer. Es gibt keinen 7 Punkte Plan. Eckhard Krause beschreibt das sehr treffend in seinem Buch „Aufbruch zum Glauben“: Selbst ich als Träger des biblischen Frisurenmodells "Es war alles wüst und leer" gehe ab und zu gern zum Fri­seur. Und ich verrate Ihnen auch, warum: Diese Besuche bieten mir endlich eine gute Entschuldigung dafür, das "Gol­dene Blatt", "Gala" oder "Frau im Spiegel" zu lesen. Aus diesen illustren Blättern erfahre ich dann zum Beispiel, dass es in Amerika ganz viele Millionäre und Milliardäre gibt,

Menschen mit unglaublich viel "Kies". Ich finde dies ab und zu richtig interessant, lese ihre Namen und schaue mir Bil­der von ihnen an. Aber wenn ich später das Friseurgeschäft wieder verlasse, habe ich mich nicht ver­ändert - außer, dass meine Haare wieder ein Stückchen kürzer ge­worden sind. Die Informationen aus den Illustrierten haben für mein Leben überhaupt keinen Be­lang.  Stellen Sie sich aber bitte ein­mal vor, ich würde in einem sol­chen Blättchen lesen, dass es in Amerika einen Millionär gibt, der schon sehr alt ist und Krause heißt. In diesem Fall würde ich schon einmal etwas genauer hinschauen. Es gibt zwar eine Menge Krauses, aber so viele Millionäre sind nicht darunter. Und dann lese ich in diesem Artikel plötzlich: Dieser stinkreiche Mann hat - wie traurig - keine Erben. Das Einzige, was er weiß, ist, dass es irgendwo in Deutschland einen verschollenen Neffen namens Eckard Krause geben soll. Angeblich ist der so um die 60. Und diesen einzigen Verwandten, der ihm geblieben ist, möchte er unbedingt kennen lernen, denn es wäre doch schade, wenn all die Milliönchen einem Fond für heimatlose Wellensittiche zukommen müssten. Soll ich Ihnen was sa­gen: Diesen Artikel schneide ich mir aus. Wahrscheinlich springe ich sogar aus meinem Stuhl auf, lege dem Friseur als zukünftiger Millionär für das Blättchen lässig 20 Euro hin und verschwinde direkt zum Telefon. Jetzt hat die Sache für mich eine unglaubliche Relevanz.

Die Tatsache, dass es irgendwo auf der Welt Millionäre gibt, findet man beim Friseur unter der Haube vielleicht ganz interessant. Aber wenn ich plötzlich erkenne, dass das etwas mit mir zu tun haben, dass es mein Leben unendlich viel rei­cher machen könnte, dann verändert dies etwas in mir. Dann geht es nicht mehr darum, ob es diesen Mann gibt, sondern wie ich in Kontakt mit ihm treten kann! Der Gott, von dem ich Ihnen vorschwärme, ist nicht nur reicher als Dagobert Duck, er hat vor allem viel mehr zu geben als nur Geld. PP Ich bin der festen Überzeugung, dass Gott unser Leben reicher, erfüllter und damit letztlich auch glücklicher machen kann. Aus diesem Grund sollten wir nicht nüchtern darüber diskutieren, ob es ihn gibt, son­dern versuchen, herauszufinden, ob und wie wir in den Ge­nuss dieses Reichtums gelangen können. Soweit Eckhard Krause.

Was, wenn es ge­lingt, für mich der schönste Gottesbeweis überhaupt ist.

Ich behaupte sogar: Wir alle haben eine Ahnung davon, dass sich, wenn wir mit diesem Gott in Beziehung träten,

Fragen klären würden, ohne deren Antwort wir eigentlich nicht leben können. Das, was ein Mensch braucht, um glücklich zu sein, sind in Wahrheit gar nicht die vorder­gründigen Dinge, die immer zu­erst genannt werden. Natürlich braucht jeder von uns Gesundheit, jeder braucht ein bisschen Geld in der Tasche, und jeder braucht das, was man im wohl situierten Eu­ropa als Normalausstattul)g be~

.,,- ..

trachtet. Das Verrückte dabei ist:

Auch wenn alle diese Wünsche er­füllt würden - wenn Sie kerngesund, wohlhabend und mit materiellen Dingen bestens ausgestattet wären -, würde Sie das nicht wirklich glücklich machen. Einer der größten Trug­schlüsse unserer Gesellschaft besteht darin, Glück von Äußerlichkeiten abhängig zu machen. Ich werde nicht glück­lich, nur weil ich bestimmte Dinge besitze. Glück hat etwas

Wir alle haben eine Ahnung davon, dass sich, wenn wir mit diesem Gott in Beziehung träten, Fragen klären würden, ohne deren Antwort wir eigentlich nicht leben können.

damit zu tun, dass ganz wesentliche Fragen in meinem Leben beantwortet werden. Diese Fragen beschäftigen uns alle, und weil sie uns so sehr quälen, haben wir Tausende von Mechanismen entwickelt, um sie zu verdrängen oder so sehr mit anderen Dingen zuzustellen, dass sie nicht mehr an uns herankommen. Ein sehr entwürdigender Zustand.

Ich nenne Ihnen nur einige dieser Fragen: "Vor wem muss ich mich und mein Handeln eigentlich verantworten? Ich spüre doch, wie viel in meinem Leben falsch läuft. Außer­dem sind da unzählige Menschen, die mich direkt oder indi­rekt anklagen und mein Leben mit ihren Meinungen bestim­men. Was ist richtig und was ist falsch in dieser Welt? Was ist denn Schuld und wo werde ich schuldig? Viele Menschen sagen mir, dass ich versage, wenn ich nicht so oder so hand­le. Stimmt das? Wo kann ich zur Ruhe kommen? Welchen Sinn hat das alles? Und woher bekomme ich ein wirklich gesundes Selbstwertgefühl? Kann ich ernsthaft damit leben, dass mir jemand sagt, ich sei nur einer von sechs Milliarden Menschen, ein Zufallsprodukt, das durch das Zusammentref­fen irgendwelcher Gene entstanden ist? Ist es eigentlich voll­kommen gleichgültig, ob es mich gibt oder nicht?"

Ich könnte diese Liste noch endlos fortsetzen. Vermutlich kennen Sie all diese Fragen. Das Traurige dabei ist: Würden wir uns ihnen ernsthaft stellen,

könnte es unter Umständen passie-

ren, dass die schöne Fassade zu­sammenbricht, die wir uns aufge­baut haben. Jemand, der entdeckt, dass er auf die wesentlichen He­rausforderungen des Lebens im Grunde keine Antworten hat, kann doch gar nicht mehr gelassen aus dem Haus gehen und seinen Alltag gestalten. Wie kann j emand leben,

der weder weiß, wo er herkommt, noch, warum er hier ist oder wo er hingeht? Diese unbeantworteten Fragen hält man

Wie kann jemand leben, der weder weiß, wo er her­kommt, noch, warum er hier ist oder wo er hin­geht?

 

Mit Gott kommen wir in Kontakt über seine Art von Telefon. Über das Gebet.

Wir können ihm ganz so wie der verzweifelte Vater, der seinen Sohn zu Jesus gebracht hatte, damit der ihn gesund mache, und der von Jesus nach seinem Glauben befragt wurde, rufen: PP Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben. Oder: Gott, wenn du da bist, dann zeige dich mir. Jesus selber hat gesagt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen.“ Also kann man auch beten: Herr Jesus komm in mein Leben. Oder: Du hast mir meine Sünden vergeben, du hast alles weggeräumt was zwischen dir und mir lag. Hab Dank dafür. Ich öffne dir mein Herz. Komm.  Als Petrus auf dem See in Not war, rief er einfach: Herr, hilf! So kurz kann ein Gebet sein. Was dann passiert kann keiner sagen. Liebe ist nicht plan- und vorhersehbar. Aber Gott antwortet i.A. auf solche Gebete. Sehr unterschiedlich.

Ein weiteres schönes Bild für diesen Schritt des Glaubens habe ich bei Henri Nouwen gefunden. Er erzählt, dass er fasziniert von Trapezkünstlern war. Während eines Sommerurlaubs schloss er sich für eine Woche einer Gruppe von Trapezkünstlern an. Der Leiter sagte einmal zu ihm: PP ‚Henri alle applaudieren mir, wenn ich diese Sprünge  und Saltos mache. Sie glauben, dass ich der Held bin, dabei ist der eigentliche Held der Fänger. Ich muss nichts tun als meine Hände auszustrecken und darauf zu vertrauen, dass er im richtigen Augenblick da ist und mich auffängt. PP Dasselbe können wir auch über den Gott sagen, der unser kleines Leben behütet und darauf wartet, uns aufzufangen und festzuhalten – an den schweren Schnittstellen und an den schönen, in den gefährlichen Augenblicken und in den Zeiten, in denen wir uns frei emporschwingen.

 

Dieses Bild und die Aussagen Nouwens machen auch klar, dass man die Sache mit dem Glauben irgendwann mal in der Tasche hat. Immer wieder neu gilt es zu springen und sich fangen zu lassen. Die Hände ausstrecken und mich von Gott fangen lassen.

 

Das Geschenk des Glaubens – (Der) Glaube schenkt

 

Zu springen und sich auffangen zu lassen, heißt frei zu werden. Ich muss mich nicht mehr um meinen Wert kümmern, um meine Wertschätzung. Ich weiß mich geliebt und angenommen, ich weiß mich bejaht. Die tiefste Sehnsucht danach, geliebt zu sein ist gestillt. Und deshalb bin ich frei für die Menschen um mich herum, für die Welt im Kleinen und im Großen. PP Ich muss mein Tun nicht mehr danach richten, was für mich Gewinn bringt, sondern was nützlich, was dienlich ist. PP Ich muss mich nicht mehr von meiner Leistung her definieren, sondern kann mich als Geliebter definieren. D.h. nicht, dass er nun nichts mehr leiste – Natürlich die Liebe geht immer das Risiko ein, dass sie missbraucht wird. So könnte der verlorene, der jüngere Sohn ja nach ein paar Tagen wieder die Lust am Familienleben verlieren und wieder gehen. Aber wenn die Liebe des Vaters bei ihm, in seinem Herzen ankommt, dann  - so bin ich überzeugt - wird er bleiben und helfen, wo er kann, dann wird er arbeiten wie ein Verrückter. Aber auch wird er sich abends zu seinem Vater setzen und sich dessen Liebe gefallen lassen. Vielleicht mit seinem älteren Bruder zusammen. Das lässt die Erzählung in der Bibel ja offen. Liebe ist keine Ruhekissen, aber sie verhindert, dass ich mich und meine Seele verkaufe: an andere Menschen, an eine Sachen, eine Ideologie, an den Erfolg, an die Arbeit. Liebe setzt immer in Bewegung, ganz wie Jesus sich aus Liebe in Bewegung gesetzt hat oder die Familie Ortberg aus leidenschaftlicher Liebe zu Paddy. Liebe wirkt sich immer ganzheitlich aus. Sie prägt mein Denken und Handeln.

Wer versteht, dass sein Leben grundsätzlich aus dem besteht was man empfängt, der wird auch mit wohl einem der größten Probleme, die wir heute haben, gelassener und hoffnungsvoller umgehen: Der Erfahrung, dass unser Leben immer nur aus Bruchstücken besteht, aus vielen Einzelteilen, ihm aber die Ganzheit fehlt. Deshalb sind wir so oft Gehetzte, Getriebene. Wir sind auf der Suche nach Erlösung von innerer Unruhe und Nervosität, von dem ständigen Gefühl des Überfordertseins, vom Stress und allen seinen Folgen bis hin zu schweren somatischen Störungen.

Wer weiß, dass er letzten Endes ein Empfangener ist, braucht die Ganzheit seines Lebens nicht selber bewerkstelligen. Er kann auch das Gott überlassen, immer wieder muss er springen, weil es so schwer ist, immer wieder neu gilt es zu buchstabieren:  PP Gott macht aus unserem Leben ein Ganzes, ein heiles Ganzes. Aus den Fragmenten, aus den Bruchstücken macht er ein Ganzes. Das ist ein Geschenk des Glaubens.

Ich bin die geliebte Lumpenpuppe, vielleicht noch in einem recht ordentlichen Zustand, noch nicht besudelt, gebadet und geknautscht im Wäschekorb, vielleicht auch hier und da schon ziemlich abgewetzt. Gott schaut mich liebevoll an. Es gilt sich danach auszustrecken und sich dann auffangen zu lassen. Immer wieder geht es darum, dass Leben so zu nehmen: aus der Hand Gottes.

PP Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Dietrich Bonhoeffer.

Gott greift immer wieder nach uns und will uns auffangen:

PP Dasselbe können wir auch über den Gott sagen, der unser kleines Leben behütet und darauf wartet, uns aufzufangen und festzuhalten – an den schweren Schnittstellen und an den schönen, in den gefährlichen Augenblicken und in den Zeiten, in denen wir uns frei emporschwingen. (Henri Nouwen)