Predigt beim Gottesdienst „Einer für alle“ am 3. Juli 2005

im Lemberggemeindehaus in Nagold

Thema: Ich bin getauft

 

 

Liebe Gemeinde,

„baptizatus sum“ – „Ich bin getauft“, so schrieb Martin Luther gele­gentlich mit Kreide auf den Tisch, wenn er selbst in Anfechtung ge­riet, d.h. in Zweifel darüber, ob Gott auch zu ihm stehe. „baptizatus sum“ – „Ich bin getauft“ – geschehen war das am 11. November, am Martinstag 1483, einen Tag nach seiner Geburt in Eisleben. Darum gab man ihm den Na­men Martin, aber nicht dieser Name war es, auf den er getauft worden war, sondern er war getauft wor­den auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Damit war Gottes Name selbst über dem Säug­ling Martin Luther ausgespro­chen, ja ausgerufen worden. Und wenn mein Name in einem Buch steht, dann ist es damit als mein Eigentum ausgewiesen. Und wessen Name über einem Land aus­gerufen ist, dem gehört es.

Über meinem Leben wurde der Name des dreieinigen Gottes am 14. September 1941 ausgerufen. Und als ich 60 Jahre alt war, da haben wir ein großes Fest gemacht, aber nicht am Geburtstag, sondern am 14. Septem­ber 2001, drei Tage nach dem schreckli­chen 11. September, mit dem vielleicht ein neues Zeitalter in unse­rer Welt angebrochen ist. Aber auch und gerade dann galt und gilt es: Über meinem Leben wurde der Name des dreieinigen Gottes ausgerufen, des Vaters, dem ich letztlich mein Leben verdanke und der allein dafür sorgt, dass ich es habe, so lange er es will, und niemand kann ihm dabei einen Strich durch die Rechnung machen, des Sohnes, der am Kreuz für mich gestorben ist (und zwar nicht erst als ich erwachsen war, auch nicht am Tage meiner Geburt oder meiner Taufe stark drei Wo­chen später, son­dern ehe ich im Mutterleibe bereitet wurde), und des Heiligen Geistes, des­sen Tempel mein Leib nun sein soll und der ich auch sein will. Das gelingt mir vermutlich mehr schlecht als recht.

Wie froh bin ich, dass dies geschehen ist, bevor ich es bewusst annehmen konnte und dass mein Ja dazu nicht die Voraussetzung war, die mich der Taufe für würdig erweist, und dass es gilt als ein eingeprägtes Siegel, unabhängig von dem, was ich lebe. „Ex libris“ (aus den Büchern des …), so steht ein Stempel in manchen Bü­chern. Das heißt: Die­ses Buch gehört dem, dessen Name dann da steht. „Ex liberis“ – für die des Lateinischen Mächtigen: aus den Kindern – des dreiei­nigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geis­tes. Das steht nun über meinem Leben. Das ist der große Vorschuss für mein ganzes Leben, das Plus vor allem, was es bringt. Und das sollen alle wis­sen, die Anspruch auf mich er­heben wollen: Ich ge­höre zu Gottes Kindern.

Ja, ich weiß, nicht alle benehmen sich so, wie sich das für die ge­hört, die zu diesen Kindern gehören. Nicht alle – und zwar sowohl Gläubige als auch Nichtgläubige, und manchmal tue ich mir schwe­rer mit den Gläubigen, die sich nicht so benehmen, als mit den Ungläubigen, die noch nicht wissen, wem sie gehören.

Ich bin getauft – Philipp Friedrich Hiller (1699 – 1769), der Sänger des württembergischen Pietismus (eine ganze Reihe seiner Lieder stehen in unserem Gesangbuch. Jesus Christus herrscht als König gehört zu den Bekanntesten), der Schüler Johann Albrecht Ben­gels und einer der Väter des Pietismus hat es in ein Lied ge­fasst. Zugrunde gelegt hat er einen Vers, der uns in der gestrigen Bi­bel­lese begegnet ist (das Thema wurde also von den Verantwortli­chen sehr zeitgünstig – das heißt, das haben die gar nicht bedacht, vielleicht steht doch eine höhere Regie dahinter – ausgesucht):

Er ließ sich taufen und freute sich,

dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Apostelgeschichte 16, 33.34

Dies sollen wir von dem Kerkermeister lernen

und uns unserer Taufe freuen, bis der Herr kommt.

1. Meine Taufe freuet mich / mehr als mein natürlich Leben; denn ein geistliches hab ich, weil mir’s damals Gott gegeben; und was hülf’s, ein Mensch  allein, aber nicht ein Christ zu sein?

2. Von der Mutter Leibe her / ist mein Atem Gottes Gabe;

aber Gottes Geist ist mehr, den ich von der Taufe habe.

Jener dient auf diese Zeit, dieser auf die Ewigkeit.

3. Weil auf drei, die eines sind, man mich mit dem Wasser taufte,

ward ich damals Gottes Kind, das der Sohn mit Blut erkaufte;

Gottes Bild ward eingeprägt, Gottes Nam auf mich gelegt.

4. Als ich weg vom Vater lief / und mein Kindesrecht ver­scherzte,

Gott hingegen mich noch rief, dass mich mein Entlaufen schmerzte,

freute mich die Taufe noch; denn der Vater liebte doch

5. Bricht der größte Jammer ein, freut die Taufe mich am bes­ten;

muss es auch gestorben sein, wird die Taufe mich noch trös­ten.

Ein mit Blut gezeichnet Schaf freut sich da auf Ruh und Schlaf.

Ziehen Sie einmal von der Sprache ab, was eben etwas zeitbe­dingt ist. Es mag Ihnen auch etwas steil erscheinen. Aber er steht damit in guter Reformatorischer Tradition.

Gelernt haben wir es bei Johannes Brenz: „Die Taufe ist ein Sak­rament und göttlich Wortzeichen, womit Gott, der Vater, durch Je­sus Christus, seinen Sohn, samt dem Heiligen Geist bezeugt, dass er dem Getauften ein gnädiger Gott wolle sein und verzeihe ihm alle Sünden aus lauter Gnade um Jesu Christi willen und nehme ihn auf an Kindes Statt und zum Erben aller himmlischen Güter.“

Und für unsere Konfirmanden wurde es vor einigen Jahren so for­muliert: „In der Taufe spricht Gott uns zu, dass alles, was durch Jesus Christus zum Heil der Welt geschehen ist, uns persönlich gilt. Er will, dass wir zu ihm kommen, Jesus Christus als unsern Herrn anerkennen und bei seinem Wort und seiner Gemeinde bleiben.“

Und wir haben alle den Taufbefehl Jesu im Kopf, den ich zuerst in der uns bekannten Form zitieren möchte: Matthäi am letzten:

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch be­fohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Hier ist es nun gut, genau zu übersetzen: 19  poreuqe,ntej ou=n maqhteu,sate pa,nta ta. e;qnh( bapti,zontej auvtou.j eivj to. o;noma tou/ patro.j kai. tou/ ui`ou/ kai. tou/ a`gi,ou pneu,matoj( 20  dida,skontej auvtou.j threi/n pa,nta o[sa evneteila,mhn u`mi/n\

Machet zu Jüngern alle Völker, und nun folgen gleichgeordnet, nicht nacheinander geordnet: indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und indem ihr sie halten lehrt alles, was ich euch geboten habe.

Zweierlei gehört also dazu, Menschen zu Jüngern zu machen: Taufen und Lehren, zu halten, was er aufgetragen hat..

Was ist die Taufe? Zunächst: Sie ist ein Sakrament und das wird von Johannes Brenz erklärt: Ein Wortzeichen, d.h. eine zeichen­hafte Handlung, durch die uns Gott noch einmal auf eine andere Weise als durch das gesprochene Wort aber inhaltlich ihm gleich­gestellt, zusagt, dass es uns persönlich gilt, was Jesus getan hat. Und dass deshalb wir auch persönlich gemeint sind mit seiner Gnade und Liebe.

Und dann gehört dazu das Zeichen des Wassers. Es ist ein mehr­deutiges Zeichen, und ich denke, Jesus hat nicht zufällig dieses Zeichen für die Taufe eingesetzt, denn es weist auf ein dreifaches hin:

1. Wasser benötigen wir zur Reinigung. Es macht deutlich: Wer diese Welt betritt, findet sich bereits getrennt von Gott vor. Ich habe heute nicht vor, das Thema „Erbsünde“ breit zu treten. Es ist auch nicht nötig. Das ist es, was dieser Begriff meint: Wir sind nicht von Hause aus im Einklang mit ihm. Und wer nicht von ihm erfährt und ergriffen wird, wird von ihm getrennt bleiben. Und selbst wer ihn kennt, merkt: Ich schaffe es nicht, uneingeschränkt zu sein, wie er es will. Das gehört zum Menschsein. Reinigung heißt hier: Er sagt Ja zu uns trotz unserer Schuld.

2. Das Wasser ist Zeichen des Lebens. Davon weiß man in einem Land wie Israel. Ohne Wasser ist es aus. Gott will uns das Leben schenken, an seinen Lebenskräften teilgeben.

3. Das Besondere aber über die Taufe des Johannes, wo der Rei­nigungsaspekt ganz oben an stand, ist das Wasser als Zeichen des Todes. Taufe bedeutet: Hinein genommen sein in Tod und Auferstehung Jesu:

Ich lese dazu, was Paulus in Römer 6, 3 – 11 schreibt: 3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer ge­storben ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm le­ben werden, 9 und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. 10 Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott. 11 So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

Am schönsten drückt das der Taufstein in Tabka aus: Es hat eine hohle Kreuzesform. Da hinein hat man den zu Taufenden gelegt und getauft.

Gestorben der alte Mensch mit Christus. Ja, die Taufe ist ein Zei­chen des Todes. Aber wie die letzte Station nicht der Tod, sondern die Auferweckung war, so heißt mit Christus zu sterben, auch mit ihm im neuen Leben zu wandeln. Noch sehr unvollkommen – und doch der Anfang ist gemacht.

Gott ist es also, der hier handelt, so wie er selbst Christus aufer­weckt hat, so wie er es selbst ist, der dafür sorgt, dass sein Wort unsere Herz erreicht. Es ist eben nicht die Pfarrerin und nicht der Pfarrer. Sie sind Handlanger Gottes. Wenn es aber Gott ist, der handelt, dann ist er immer souverän, dann können wir uns das nicht verdienen, dann können wir es aber auch nicht ungeschehen machen.

Und ich erinnere mich an jenen Pfarrer, der seinem Sohn, als der aus der Kirche austrat schrieb: Aber deine Taufe kannst du nicht mehr rückgängig machen.

Und dann wird uns nicht mehr und nicht weniger gegeben als überall, wo uns Gottes Wort gesagt wird und durch dieses Wort zugesprochen wird: Was Jesus getan hat, das hat er für dich ge­tan.

Nun mag man fragen: Für was brauchen wir dann noch eine Taufe, wenn das uns auch so gilt? Hier gibt es eine ganz einfache und ganz klare Antwort: Weil Jesus es gesagt hat. Hätte er uns befoh­len, statt zu taufen zu segnen, dann würden wir segnen. Hätte er uns befohlen, statt zu taufen eine Urkunde zu überreichen, dann würden wir eine Urkunde überreichen. Er hat aber befohlen zu taufen.

Und dann dürfen wir uns darauf berufen. Damit bin ich bei einem Einwand, den ich immer wieder höre: Da wird als eine schlimme Entgleisung angesehen, dass Menschen sich auf ihrer Taufe aus­ruhen. Da wird gesagt, die Taufe von kleinen Kindern führe dazu, dass die sagten: Ich bin ja getauft, das reicht.

Recht gesehen, reicht das auch. Mein Problem ist nicht, dass Menschen so ihre Taufe hoch hängen, sondern mein Problem, ist, dass die Taufe vielen überhaupt nichts bedeutet. Wer mir sagt: Ich bin getauft, darauf verlasse ich mich, Gottes Ja steht über meinem Leben und Sterben, der hat verstanden, worum es in der Taufe geht. Der hält sich an die Zusagen, die Jesus gegeben hat. Mein Problem ist, dass es Menschen gibt, denen ihre Taufe egal ist. Wer sagt: Ich bin getauft, mein Herr steht zu mir, der hat Recht.

Nun fragen natürlich manche: Warum aber Kinder taufen? Wäre es nicht richtiger, nur Erwachsene zu taufen oder zumindest nur dann, wenn sie selbst ja sagen können?

Sehen wir uns zunächst den biblischen Befund an: Die Bibel be­richtet uns nicht ausdrücklich von einer Taufe kleiner Kinder. Frei­lich: Sie verbietet an keiner einzigen Stelle, bereits Kinder zu tau­fen, und wenn ich davon ausgehe, dass die Bibel uns sagt, was auf jeden Fall nicht erlaubt ist, dann würde sie uns das sagen.

Die reine Argumentation von der Bibel her bringt uns an dieser Stelle ausnahmsweise nicht weiter. Sie nimmt nämlich zum Taufalter nicht ausdrücklich Stellung. So verständlich es wäre, wenn in der Missionssituation zunächst Menschen getauft worden wären, die sich dafür ausdrücklich als Erwachsene entschieden hätten, es wird davon nicht geredet. Das wird gar nicht themati­siert.

Etwas anderes fällt freilich auf:

Zum einen: Die müssen in der ersten Gemeinde recht schnell ge­tauft haben, wenn wir der Apostelgeschichte glauben: Da werden am ersten Pfingsttag gleich 3.000 Menschen getauft (also das war eine Massentaufe), die eben erst die Petruspredigt gehört haben, da hört ein Finanzminister aus Äthiopien erstmalig durch Philippus davon, dass mit dem Knecht Gottes aus Jesaja 53 Jesus gemeint sei, man fährt – zufällig? – an einem Wasser vorbei. Die Frage: Siehe, da ist Wasser; was hin­dert’s, dass ich mich taufen lasse? Und Philippus tauft ihn auf der Stelle.  Da kommt ein Hananias zum geblendeten Saulus in die ge­rade Straße in Damaskus, und er stand auf, ließ sich taufen. Und da haben wir in den letzten Ta­gen gelesen: Und eine gottesfürch­tige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf Acht hatte, was von Paulus gere­det wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war … Und da le­sen wir vom Gefängnisaufseher in Philippi im selben Kapitel: Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Sie sprachen: Glaube an den Herrn Je­sus, so wirst du und dein Haus selig! Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in sei­nem Hause waren. Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Strie­men. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen.

Nun muss man wissen, dass das Haus nicht nur Mann und Frau war, sondern die Großfamilie mit Gesinde und allem, was da war.

Mir fällt auf, dass bei Lydia nur von ihrem Glauben die Rede ist, aber sie sich mit dem Haus taufen lässt, und dass dem Gefängnis­aufseher gesagt wird: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! Die Bibel denkt hier korporativ und nicht einfach individuell, und sie gibt dem Hausvater die entscheidende Verant­wortung für das geistliche Leben in der Familie.

Ähnliches finden wir im ersten Korintherbrief (7, 14): Denn der un­gläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann.

Für mich gibt es noch zwei weitere Argumente, weswegen ich gerne meine Kinder taufen ließ: Das eine: Als Jesus die Kinder ge­segnet hat, da sagte er wehret ihnen nicht – und wir finden dort im Griechischen dasselbe Wort, das offensichtlich auch bei der Taufe eine wichtige Rolle spielte: nicht wehren – nicht hindern. Ein Wort hier benutzt im Zusammenhang des Reiches Gottes für Kinder. Und dort heißt es auch: Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind (w`j paidi,on, so wird auch in Matth 2, 11 das neugeborene Jesuskind bezeichnet), der wird nicht hineinkommen.

Und das andere: Wenn Paulus in den so genannten Haustafeln Ermahnungen an Männer und Frauen ausspricht, dann spricht er in diesem Zusammenhang auch die Kinder an. Mit seinen Ermah­nungen wendet er sich aber an die Getauften.

So nimmt die Bibel also zum Thema Kinder- oder gar Säuglings­taufe nicht Stellung, es gibt für mich jedoch deutliche Indizien, die – um es ganz zurückhaltend auszudrücken – die Taufe kleiner Kinder nicht verbieten, ich meine sogar, sie ausdrücklich rechtferti­gen.

Es gibt für mich aber noch vor allem ein anderes, und sehr gewich­tiges Argument dafür: Gerade dass die Kinder sich die Taufe nicht verdienen können, gerade dass sie hier wirklich nur passiv sind, ist für mich der Hinweis darauf, dass wir uns Gottes Güte und Liebe, seine Zuwendung nicht verdienen können, ja, dass das Entschei­dende für uns geschehen ist, ehe wir davon wussten, ehe wir es erkennen konnten, ja ehe wir waren.

Kurz: ich bin persönlich mit Gründen und bewusst davon über­zeugt, dass die Taufe kleiner Kinder oder von Säuglingen nicht nur nicht verboten ist, sondern sich auf das Gesamtzeugnis der Schrift berufen kann und dass die Bibel dem nicht widerspricht.

Freilich: Ich behaupte auch nicht, dass die Taufe den Glauben er­setzt. Ganz im Gegenteil: Glaube und Taufe gehören zusammen, Glaube und Bekenntnis gehören zusammen, auch wenn die Taufe ihrem Wesen nach kein Bekenntnis ist.

Dies ist mir wichtig, weil es immer wieder Gruppen gibt, die die Taufe zum Bekenntnis machen. Dies aber würde dem Wesen der Taufe direkt ins Gesicht schlagen. Die Taufe, Gottes großes Ge­schenk, darf nicht zum Werk des Menschen verkommen.

Bekenntnis ist nämlich immer Antwort des Menschen, die Taufe aber ist reines  Empfangen, weil Gott der Handelnde ist.

Das bedeutet aber, dass Eltern die Pflicht haben, ihrem Kind zu erzählen, was Jesus für sie getan hat, dass sie die Pflicht haben, für ihr Kind zu beten und mit ihrem Kind zu beten und das Gebet einzuüben, dass sie mit ihrem Kind die Pflicht haben, in der Ge­meinde und mit der Gemeinde zu leben. Und das bedeutet für uns als Gemeinde, dass wir die Eltern befähigen müssen, diese Auf­gabe wahrzunehmen. Eine Kirche die – ich sage zu Recht – Kinder tauft, muss eine missionarische Kirche sein und eine Kirche, die zur christlichen Erziehung befähigt.

Mein Problem ist nicht die Kindertaufe, aber mein Problem sind Eltern, die ihren Kindern Wesentliches schuldig bleiben.

Lassen Sie mich nun noch auf ein paar Fragen eingehen, denen wir immer wieder begegne.

1. Wie gesagt: In der Taufe handelt Gott an uns. Gottes Handeln aber gilt ein für alle Mal. Wie er EIN Gott ist, so gilt auch EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe. Auch wenn ich überzeugt bin, dass die Taufe von Kindern dem Evangelium besonders gut entspricht, so bin ich nicht der Meinung, dass Eltern unrecht handeln, wenn sie die Taufe ihrer Kinder aufschieben, bis diese sie selbst wünschen. Ich könnte sogar nur einen kleinen Punkt dem abgewinnen: Sie können sich an ihre Taufe selbst erinnern.

Sie müssen aber sicherstellen, dass allem gewehrt wird, was da­nach aussieht: Jetzt ist unser Kind – oder von der Warte des Kin­des aus: jetzt bin ich – so weit, dass nun die Taufe stattfinden kann. Wie gesagt: Die Taufe ist kein Bekenntnis, auch wenn Taufe und Bekenntnis zusammen gehören.

Aber dabei bleibe ich: In der Taufe handelt Gott – und was er sagt, das gilt. Wer eine Taufe wiederholt, der straft Gott Lügen, und das wiegt schwer. Wiedertaufe heißt zu behaupten, Gott hätte seine Zusage nicht ernst genommen, man könne sich auf Gottes Wort nicht verlassen. Dann gibt es keine Glaubensgewissheit.

Darum gibt es auch keine Tauferneuerung. Auch die Konfirmation ist es nicht. Gott muss sie nicht erneuern, denn er ist treu und steht zu seinen Zusagen. Und was wir erneuern, das kann man ohnehin vergessen, denn wir entfernen uns immer wieder davon.

Wie Jesus uns ein Sakrament als einmalige Ausrufung seiner Herrschaft über unserem Leben gegeben hat, nämlich die Taufe, so hat er uns auch ein Sakrament gegeben, das ausdrücklich als Wiederholung gedacht ist, selbst wenn wir uns von dem Herrn, dem wir in der Taufe übergeben wurden, entfernt haben. Das ist das Heilige Abendmahl. Wie bei der Taufe sind Wort und Zeichen verbunden.

Nun sagen natürlich manche: Ich möchte gerne selbst ja sagen können, und dies auch öffentlich tun. Hier haben wir tatsächlich ein Problem. Ich meine, wir sollten Möglichkeiten anbieten, dass je­mand öffentlich sein Ja zu Jesus bezeugen kann.

Es ist zwar ein Zeugnis, wenn wir uns zu Gottes Wort und dem Abendmahl halten, aber manchmal ist es eine seelsorgerlich Hilfe, etwas fest zu machen. Hier schlage ich vor – auch wenn ich es selbst noch nicht so praktiziert habe – wie Billy Graham oder man­che Evangelisationen Gelegenheiten zu bieten, durch öffentliches nach vorne Treten oder auf andere Weise zu bezeugen: Ich möchte ernst machen und zu dem Geschenk, das Jesus mir ge­macht hat, stehen.

2. Manche wollen zwar nicht die Kindertaufe, aber sie verlangen eine öffentliche Kindersegnung durch den Pfarrer an Stelle der Taufe. Wir kennen Segnungsgottesdienste, auch für Kinder, aber nicht die individuelle Segnung statt der Taufe. Und ich halte das für gut.

Segnen ist Aufgabe der Priester, während in der evangelischen Kirche die öffentliche Verkündigung und die Austeilung der Sakra­mente die Aufgabe der dazu Berufenen ist (das ist eine Frage der Ordnung). Das heißt aber: Eltern dürfen ihre Kinder segnen. Sie sind die Priester des Hauses. Ich würde hier nicht nach dem Pfar­rer rufen, als könne der nur segnen. Allgemeines Priestertum heißt: Die Aufgabe des Segens sollen und können Eltern über­nehmen.

3. Wie soll die Taufe vollzogen werden. Es gibt immer wieder Leute, die fragen, ob man nicht in einem Fluss oder See durch Untertauchen taufen müsse. Es gibt in der Bibel keine Anweisun­gen. Die Kirchengeschichte kennt beides. Das griechische Wort bapti,zein kann beides bedeuten: das Untertauchen und das be­sprengen. Ich erinnere an die Geschichte der Fußwaschung, als Petrus plötzlich wollte, dass Jesus den ganzen Kerl wäscht. Und Jesus antwortete ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Auch hier gilt: Gott ist nicht abhängig von unserem Tun. Es genügt Wasser und das Wort.

Johann Jakob Rambach (1693 – 1735, Schüler und Nachfolger August Hermann Franckes singt:

1. Ich bin getauft auf deinen Namen,

Gott Vater, Sohn und Heilger Geist;

ich bin gezählt zu deinem Samen,

zum Volk, das dir geheiligt heißt.

Ich bin in Christus eingesenkt,

ich bin mit seinem Geist beschenkt.

2. Du hast zu deinem Kind und Erben,

mein lieber Vater, mich erklärt;

du hast die Frucht von deinem Sterben,

mein treuer Heiland, mir gewährt;

du willst in aller Not und Pein,

o guter Geist, mein Tröster sein.

3. Doch hab ich dir auch Furcht und Liebe,

Treu und Gehorsam zugesagt;

ich hab, o Herr, aus reinem Triebe

dein Eigentum zu sein gewagt;

hingegen sagt ich bis ins Grab

des Satans schnöden Werken ab.

4. Mein treuer Gott, auf deiner Seite

bleibt dieser Bund wohl feste stehn;

wenn aber ich ihn überschreite,

so lass mich nicht verlorengehn;

nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an,

wenn ich hab einen Fall getan.

5. Ich gebe dir, mein Gott, aufs neue

Leib, Seel und Herz zum Opfer hin;

erwecke mich zu neuer Treue

und nimm Besitz von meinem Sinn.

Es sei in mir kein Tropfen Blut,

der nicht, Herr, deinen Willen tut.

6. Lass diesen Vorsatz nimmer wanken,

Gott Vater, Sohn und Heilger Geist.

Halt mich in deines Bundes Schranken,

bis mich dein Wille sterben heißt.

So leb ich dir, so sterb ich dir,

so lob ich dich dort für und für.

Im Gesangbuch steht unter diesem Lied das Jahr seines Todes. Vielleicht nicht ganz zufällig.

Und ein Letztes: In meiner letzten Gemeinde stand als Umschrift um die Tauschale ein Wort auf der Offenbarung: sein Name wird an ihren Stirnen sein. Sein Name an ihren Stirnen. Das heißt: Sie gehören dem, dessen Namen sie tragen: Den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ihm gehören wir. Und nun lade ich alle ein: Zu sein, was wir sind: Eigentum unseres Herrn.

 

Amen.