1. Die Mauer
Der
Geschichtslehrer meiner Tochter forderte neulich die Klasse zu einem
gedanklichen Experiment auf: Stellt Euch vor durch Nagold würde eine Mauer ganz ähnlich wie damals die Berliner Mauer gezogen.
Nehmen wir z.B. eine Mauer entlang der Waldach und der Nagold. Was würde das
bedeuten? Meine beste Freundin wohnt plötzlich auf der anderen Seite, Schüler,
die bisher in eine Schule gingen, sind nun voneinander getrennt; der
Lieblingsladen ist nicht mehr erreichbar … Vieles weitere könnte jeder von uns
aufzählen.
Zum
Glück gibt es diese Mauer nicht und auch nicht mehr die Mauer in Berlin. Aber
in unseren Köpfen, da gibt es doch viele Mauern: Manches steht vor uns wie eine
Mauer.
In
der Vorbereitung auf diesen GD haben sich die Teenies Gedanken zu Mauern im
Leben gemacht - und dabei so einiges
heraus gefunden:
à
Teenies bauen Mauer
Mauern
wachsen aus unterschiedlichen Gründen: Eine Klassenarbeit, eine Prüfung, ein
klärendes Gespräch … Menschen grenzen sich voneinander ab (z.B. durch ihre
Kleidung, durch ein bestimmtes Handy: die die „in“ sind und die die „out“ sind;
die die „cool“ sind und die die „uncool“ sind). Menschen bauen Mauern um sich,
weil sie Angst haben. In einem Internetforum von Eltern zum Thema „Mobbing“
schreibt eine Mutter:
Am Wochende war meine Tochter zu Hause und bereitete sich,
unteranderem auf ihrer bevorstehende Mathearbeit vor.
Irgendwann ging sie dann auch mal ins Netz um irgend welche Formeln nach zu
lesen. Sobald ihr Computer hochfährt startet automatisch auch "icq"
(wer das nicht kennt: das ist ein chat in dem sich Jugendliche kontakten.)
Sie sah dann das auch eine Schulfreundin online war und schrieb ihr eine mail.
Ungefähr so: na was machste, habe schiss vor der arbeit, wie siehts bei dir
aus...
Zurück kam dann: eh las mich in ruh, du bist voll scheiße. Keiner will mehr was
mit dir zu tun haben.
Die anderen aus ihrer Klasse folgten dann mit ähnlichen Beiträgen.
Meine Tochter konnte das gar nicht verstehen. Am Freitag in der Schule war
überhaupt kein Streit gewesen… Urplötzlich standen da Mauern.
Der
Text aus Mt. 8, den wir im Vorfeld für den heutigen Efa ausgesucht haben, erwähnt
keine Steine – und doch: von Mauern redet er auch. Hören wir mal auf den Text:
5 Als Jesus in Kapernaum eintraf,
kam ein römischer Hauptmann zu ihm
6 und sagte: "Herr, heile
meinen Diener! Er liegt gelähmt im Bett und leidet entsetzlich."
7 Jesus antwortete: "Ich will
mitkommen und ihn heilen."
8 Der Hauptmann erwiderte:
"Herr, ich bin nicht wert, dich in meinem Haus zu empfangen. Sag nur ein
einziges Wort, dann wird mein Diener gesund.
9 Auch ich habe Vorgesetzte, denen
ich gehorchen muss, und ich erteile selbst Befehle an meine Soldaten. Wenn ich
zu einem sage: 'Geh!', dann geht er. Befehle ich einem anderen: 'Komm!', dann
kommt er. Und wenn ich zu meinem Diener sage: 'Tu dies!', dann führt er meinen
Auftrag aus."
10 Als Jesus das hörte, wunderte er
sich sehr. Er sagte zu den Menschen, die ihm gefolgt waren: "Eins ist
sicher: Unter allen Juden in Israel bin ich keinem Menschen mit einem so festen
Glauben begegnet.
11 Und ich sage euch: Viele Menschen
aus aller Welt werden kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmel das
Freudenfest feiern.
12 Aber die ursprünglich für Gottes
neue Welt bestimmt waren, werden in die tiefste Finsternis hinausgestoßen, wo
es nur Heulen und ohnmächtiges Jammern geben wird."
13 Dann sagte Jesus zu dem
Hauptmann: "Geh wieder nach Hause! Was du geglaubt hast, ist Wirklichkeit
geworden." Zur selben Zeit wurde der Diener gesund.
Von
sichtbaren Mauern wird hier nicht gesprochen. Aber doch waren da viele Mauern
in den Köpfen: : Z.B. die: Ein römischer Hauptmann kümmert sich nicht um seine
Soldaten. Wenn einer schwächelt, kommt der nächste dran. Ein römischer
Hauptmann brauch keine Hilfe. Wer Hilfe braucht, ist ein Schwächling. Und ein
Hauptmann ist kein Schwächling. Schon gar nicht bittet er einen von denen, die
er beherrscht, oder genauer gesagt unterdrückt. Oder: Juden – wie Jesus einer
war – haben nichts mit den Heiden – wie der Römer einer war - zu schaffen.
Oder: Wahren, richtigen Glauben gibt es nur in Israel. Oder: Krankheit ist eine
Strafe von Gott. Oder: Krankheit ist eine Mauer, sie schließt vom Leben aus. Es
wimmelt nur so vor Mauern in unserem Text.
Und
vielleicht haben sie es gemerkt: Alle diese Mauern werden hier überwunden. Der
Hauptmann gibt Schwäche zu. Der Hauptmann wendet sich an einen von den Juden, an,
einen, den er beherrschen soll, über den er „Herr“ sein soll und nennt ihn
„Herr“. Ein Hauptmann fühlt sich für seinen Bediensteten verantwortlich Jesus -
ein Jude - redet mit einem Heiden. Der Heide hat mehr Glaube als alle Gläubigen
zuvor. Ein Kranker wird gesund. Und kehrt ins Leben zurück.
Das
Mauern überwunden wurden, das passierte immer wieder, wenn dieser Jesus
auftauchte. Er war ein großer Mauern-Überwinder, eine ganz hervorragender
Brückenbauer. Seine Anhänger nannten ihn deshalb später den Pontifex Maximus,
den obersten Brückenbauer.
Für
sie stand fest: die dickste und heftigste Mauer ist die zwischen Gott und
Mensch. Die Bibel nennt das Sünde: Der Mensch lebt ohne Gott, frag t nicht nach
ihm, braucht ihn nicht. Und so baut er – nicht Gott – eine Mauer auf, die ihn
mehr und mehr von Gott trennt. Und am Ende ist er einsam und verlassen. Und
hilflos. Allein kommt er da nicht mehr raus! Aber sehen wir mal, was dann
passiert!
à
Teenies
Jesus
überwindet die Mauer und holt uns zurück ins Leben. Jesus hat das ständig gemacht.
Er ist über Mauern geklettert: hin zu den damaligen Außenseitern: Kindern, Frauen,, Kranke, Lebensmüde, Verzweifelte. Und er macht das
heute noch.
Damit das
gelingt, braucht es Vertrauen. Der Hauptmann hat dieses Vertrauen, diesen
Glauben. Ich finde kein besseres Bild für diesen Glauben als das des
Trapezkünstlers. Auch wenn ich es schon einhundert Mal erzählt habe, mache ich
es heute zum 101 Mal mit den Worten des amerikanischen Pfarres Henri Nouwen: Der Leiter einer Trapezgruppe sagte
einmal zu mir: ‚Henri alle applaudieren mir, wenn ich diese Sprünge und Saltos mache. Sie glauben, dass ich der
Held bin, dabei ist der eigentliche Held der Fänger. Ich muss nichts tun als
meine Hände auszustrecken und darauf zu vertrauen, dass er im richtigen
Augenblick da ist und mich auffängt.’
Vertrauen
ist kein Geschäft, das man auf der Couch erledigen kann. Es ist Risiko. Ich
muss loslassen: alt Gedanken und Vorstellungen: mal meinen Zweifel an Gott
anzweifeln. Die eigene Schwäche und Schwachheit zugeben. Den Fragen Raum
lassen. Und die Hände ausstrecken, die leeren Hände in den Wind halten – immer
verbunden mit dem Risiko, dass ich nicht aufgefangen werde. Stellen wir uns vor
Jesus hätte dem Hauptmann nicht geholfen. Was hätte der sich anhören müssen! Am
Stammtisch wäre er das Gespött des Monats: Du, der Cornelius, weist du, was der
gemacht hat … Seine Soldaten hätten ihn ausgelacht, hätten vielleicht versucht
seine Schwäche aus zu nutzen. Du das ist ein Religiöser, den kann man über den
Tisch ziehen! Seine Hauptmanns-Kollegen hätten ihn verachtet, der Priester
seiner Kohorte ihn links liegen gelassen.
Der
Mann lässt los - und wird gefangen. So ist das: no risk no Glaube! Glaube ist
nur für Mutige. Wenn es diesen Gott tatsächlich gibt, dann bringt das einiges
durcheinander. Dann soll ich selber so ein Brückenbauer werden. Dann kann ich
nicht einfach so weiter leben wie bisher!
Vielleicht ist
Ihnen das alles egal. Sie wollen nun endlich von mir wissen. Ist der Knecht
wirklich gesund geworden? Und wie können wir das erklären? Zufall,
Auto-Suggestion? War es eine psychosomatische Erkrankung? Aber ganz ehrlich,
auch wenn ich schon alt aussehe: Ich war nicht dabei!
Aber einiges weiß
ich:
Katja Ebstein, so
eine richtige Schlagertante, sang schon vor 40 jahren
Wunder gibt es
immer wieder
heute oder morgen
können sie geschehn.
Wunder gibt es immer wieder
wenn sie dir begegnen,
mußt du sie auch sehn.
Manchmal muss man
eben nur genauer hinschauen. Dann sieht man in der Tat lauter Wunder.
Was mich dieser
Tage tief bewegte, war auch so ein Wunder. Eine Bekannte und ihr Mann freuten
sich auf die Geburt ihres zweiten Sohnes. Sie schreibt: Wie für
alle Eltern war es für uns ein unvergleichliches Erlebnis und unser Sohn ist
für uns etwas ganz besonderes.
Er zeichnet sich aber noch durch etwas anderes aus - er hat ein Chromosom mehr
als die meisten anderen Menschen und damit das Down-Syndrom. Diese Nachricht
war für uns zunächst ein großer Schock, da wir überhaupt nicht darauf
vorbereitet waren…
Und weiter schreibt
sie: Wir
wollen kein Mitleid, sondern freuen uns über Ihre/Eure Glückwünsche,
denn er ist unser Sohn, den wir uns gewünscht haben.
Und dazu versendet sie eine
Geschichte, in der eine erzählt, dass sie eigentlich nach Italien wollte und
nun unerwartet in Holland gelandet ist … Wichtig ist, die haben uns nicht in ein schreckliches, dreckiges,
von Hunger, Seuchen und Krankheiten geplagtes Land gebracht. Es ist nur
anders als Italien.
Du
musst eine neue Sprache lernen und du triffst andere Menschen, welche du in
Italien nie getroffen hättest.
Es
ist nur ein anderer Ort, langsamer als Italien, nicht so auffallend wie
Italien. Aber nach einer gewissen Zeit an diesem Ort und wenn du dich vom
Schrecken erholt hast, schaust du dich um und siehst, dass Holland Windmuehlen
hat... Holland hat auch Tulpen. Holland hat sogar Rembrandts.
- Es
tut mir Leid, vielleicht bin ich nur naiv. Aber ich finde all das ein Wunder.
Das, was diese Eltern gedanklich gelistet haben und leisten, mitten in einer
Gesellschaft, die so ein Kind als „unzumutbar“ ansieht, die auch eine
Spätabtreiung für gerechtfertigt hält, finde ich sensationell – eben ein
Wunder.
Gut,
aber ich will mich jetzt auch nicht vor der Frage drücken: Wie ist das mit der
Heilung des Knechtes? Auch hier bin ich sehr naiv. Ich glaube, dass so etwas
passiert ist und auch noch passiert. Ich glaube, dass Jesus das kann. Aber ich
sage auch ganz klar: Das passiert nicht immer, wenn man betet, Gott ist kein
Heilungs-Voll-Automat. Ich kann und will nicht erklären, wieso das Gebet um
Heilung oder das Gebet für ein Wunder manchmal oder sogar sehr oft nicht
funktioniert. Das zu erörtern sprengt jeden Rahmen. Im Idealfall haben wir Menschen,
mit denen wir darüber reden können. Vieles
liegt dabei immer wieder auf der Hand. Die Bitte um die Lotto-Million wird z.B.
doch eher selten erfüllt. Wieso eine aber, die krank ist, wieder gesund wird
und eine andere nicht – obwohl beide innigst darum gebeten haben: das bleibt
oft für immer ein Geheimnis. Und vieles, was dazwischen liegt, muss oft auch
lange gekaut werden, bis der bittere Geschmack verschwindet. Und natürlich gilt
auch das hier: In Holland gibt es Tulpen.
Wissen
müssen wir auch: bei Zuneigung und Liebe lässt Gott uns Menschen Freiheit. Wenn
einer mich nicht mögen will, kann ich soviel beten wie ich will. Gott wird ihn
nicht zwingen!
Ein
zweites: eine Heilung ist nie ein Beweis für oder gegen Gott. Immer gibt es
eine alternative Erklärung. Für die an Leukämie erkrankte Kollegin haben wir in
der Schule jeden Montag in der 1. großen Pause mit ein paar Leuten gebetet. Nun
ist sie wieder gesund und will wieder
unterrichten. Ich persönlich bin mir ganz sicher, dass unser Gebet dabei etwas
bewirkt hat. Ein anderer wird die Kunst der Ärzte, den Willen des Menschen, die
Liebe des Freundes und der Familie als Grund anführen. Oder den Zufall. Das
kriegen wir nicht aufgelöst.
Wenn
Sie mal selber ganz persönlich prüfen wollen, ob ihr Gebet etwas bewirkt, dann
empfehle ich das Führen einen Gebetsstagebuches. Schreiben Sie da rein, um was
sie Gott gebeten haben. Und wenn der Gebetswunsch erfüllt ist, schreiben sie
ein Datum dahinter. Das Problem ist nämlich, dass wir Gott mit einem
Kaugummiautomaten vergleichen. Aber viele Dinge geschehen nicht ganz so schnell
wie das Ziehen eines Kaugummis. Und unser Gedächtnis ist oft sehr schlecht: Wir
bitten – es vergeht eine Zeit und wir haben es schon vergessen, dass wir ein
Gebet gesprochen haben … Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Daten sich in
meinem Gebetstagebuch finden und kann es nicht erklären, wieso ich so doof bin,
dass ich Gott um so wenig bitte. Und bei den Dingen, die kein Datum kriegen?
Manches wird mit der Zeit klar, manches, manchmal auch sehr viel bleibt im
Dunkeln, löst sich zumindest in diesem Leben nicht auf.
Hier
bei unserer Geschichte vom Hauptmann wird der Knecht gesund.
Wo
Jesus ist, wo Menschen hoffen und vertrauen, wo Menschen sich umeinander kümmern,
da passieren Wunder. Ich bin überzeugt: auch heute noch!
Was du geglaubt hast, ist
Wirklichkeit geworden – vielleicht gilt der Satz Ihnen!