Predigt:
Alter Glaube neu entdeckt
Besonders inspiriert bei der
Arbeit an dieser Predigt hat mich der Tatort „Leben gegen Leben“ vom 27.
Februar 2011… . Der verdeckte Ermittler des LKA Cenk Batu, ein Türke, schlüpft in die Rolle eines serbischen
Kleinkriminellen, der sich Organhändlern als Helfer andient, um denen letzten
Endes das Handwerk zu legen. Die äußere Verwandlung vom (muslimischen) Türken
zum (christlichen) Serben vollzieht er u.a. dadurch, dass er ein großes
goldenes Kruzifix um den Hals trägt. Ganz am Ende des Films sitzt er am Bett
eines Mädchens mit dem Namen Amelie, das in die Hände der Organmafia geraten
ist und das den Ermittlern als Lockvogel diente. Cenk Batu hatte während seiner
Ermittlungen Kontakt mit dem Vater des Mädchens gehabt, einem Mann der dem
Alkohol verfallen ist, sein Leben ruiniert hat und für seine Tochter keine
Liebe mehr übrig hatte, sie zu Hause rausschmeißt bzw. gar nicht herein lässt
und schlägt als sie auf der Flucht vor Peinigern den Organhändler ist und bei
ihm auftaucht und sich Hilfe erhofft. Cenk weiß, dass dieses Mädchen es schwer haben wird im Leben. Und er
hat dieses Mädchen lieb gewonnen. Und als er so an ihrem Krankenhausbett sitzt,
seine Mission als verdeckter Ermittler ist beendet, das Kreuz braucht er nicht
mehr, da nimmt er das Kreuz ab und legt es dem Mädchen in die Hand und sagt zu
ihr „vielleicht hilft es ja“. Bewegend. Zugleich aber zeigt diese Szene
auch die Relevanz des Glaubens in der
heutigen Gesellschaft: „vielleicht hilft es“. Immerhin. Aber die Hilfe ist
unkonkret, sie bleibt auf der Ebene eines Talismans. Und es wird in diesem Tatort auch deutlich, dass
es Fragen gibt, die drängender sind, die relevanter sind. Da ist z.B. die Frage danach, was dürfen wir
tun? Diese Frage stellt sich den Ermittlern, als sie sich überlegen, ob sie das
Leben Amelies gefährden dürfen, um den Organhändlern auf die Spur zu kommen –
daher auch der Titel: „Leben gegen Leben“. Cenk Batu stellt da an seinen Chef
die Frage: „Wer gibt uns das Recht?“. Der entgegnet trocken: „Wir uns selbst“
Und da ist die Frage: Wer bin
ich? Fokussiert wird diese Frage auf den – so habe ich es in einem Kommentar zu
diesem Tatort gelesen – „postmodernen Ermittler, der verloren auf Parkdecks
oder in Industriebrachen in seiner Einsamkeit brillant gezeigt wird… Auch als
der Fall gelöst ist, bleibt Batu der Verlorene ohne echte persönliche
Bindungen, der einsame Wolf“. Wer bin ich? Wenn ich bei jedem Fall eine andere
Rolle spiele, ja selbst meine Religion mit jedem Fall wechsle. Und wir ahnen,
dass das was in Batu quasi konzentriert dargeboten wird, ist es nicht auch –
zumindest in Ansätzen - die Situation von uns?
Verlieren wir uns nicht auch in
den vielen Rollen des Lebens? Wer sind wir? Der vor oder der hinter der Maske? Dieser oder jener? Wer bin ich?
Moderne Biographien sind sehr viel brüchiger als es die
Biographien der Menschen vergangener Jahrhunderte im Durchschnitt waren. Durch
Geburt und Herkunft ist weniger festgelegt als ehemals. Der Mensch muss sein Leben
ständig neu erfinden, die Gestaltung des Lebens schuldet sich einer Vielzahl
von kleinen und großen Entscheidungen. Im Verhältnis zu früher ist kaum etwas
vorgegeben. Die Rollen sind nicht mehr eng vorgegeben.
Schon
Dietrich Bonhoeffer fragte 1944 im Gefägnis der Nazis …
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß
Bin ich das wirklich, was andere von
mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit
mir Spott.
Und etwas moderner von Ich und
Ich:
Lied: Ich atme ein, ich atme aus.
Ich lös ein Rätsel und ich kriegs nicht raus.
Ich atme ein, ich atme aus.
Ich geb den Dingen neue Namen und mir auch.
Ich schließ mich an, ich schließ mich aus.
Ich bin nur kurz hier, ich bin anderswo zuhaus.
Und aus dem Lied „Stark“
Ich bin seit Wochen unterwegs
Und trinke zu viel Bier und Wein
Meine Wohnung ist verödet
Meinen Spiegel schlag ich kurz und klein
Ich bin nicht der, der ich sein will
Und will nicht sein, wer ich bin
Mein Leben ist das Chaos
Wer bin ich? Und was soll ich
tun? Ist der Glaube relevant bei diesen Fragen? Ist der Glaube nicht alt und
das Leben heute anders, moderner. Aber nun eines nach dem anderen:
1.
„Alter“ Glaube: Phil. 2:
Wenn
wir nach dem alten Glauben fragen, dann nehmen wir doch mal ein ganz altes
Zeugnis des christlichen Glaubens, das wir im NT finden.
Einen
Text aus Philipper 2. Der Philipper Brief wurde früh, ungefähr in den 50er
Jahren n.Chr. verfasst und die Ausleger sind sich sehr sicher, dass Paulus hier
in Philipper 2 auf einen ganz alten Christus-Hymnus zurückgreift, der ganz
direkt aus der Gemeinde der ersten Christen, d.h. aus den 30er Jahren n.Chr.
stammt. Dort heißt es:
5 Seht auf Jesus Christus: 6 Obwohl er in göttlicher
Gestalt war, hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, Gott gleich zu sein. 7 Nein, er verzichtete
darauf und wurde einem Sklaven gleich: Er nahm menschliche Gestalt an und wurde
wie jeder andere Mensch geboren. 8 Er
erniedrigte sich selbst und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum
schändlichen Tod am Kreuz. (Übersetzung Hoffnung für alle)
2.
Gott überwindet Grenzen
Was
sagt diese Text ganz zentral? Er sagt, dass Gott Mensch wurde, um uns nahe zu
kommen.
Die
Bibel sieht als eine Grundvoraussetzung des Menschen an, dass er von Gott
getrennt lebt. Sie nennt das Sünde. Sie meint damit zunächst nicht das
moralische Fehlverhalten, sondern sie meint eine gestörte Beziehung. Der Mensch
ist Gott gegenüber misstrauisch, er vertraut nicht und so entsteht ein Graben,
ein Sund zwischen Mensch und Gott. Durch diese gestörte Beziehung entstehen
dann auch die Sünden, die schlechten Taten des Menschen. Erst misstrauen Adam
und Eva Gott, dann verhalten sie sich falsch, dann kommt Stolz, Eifersucht und
Mord hinzu. Kurz: Gott hat sich nicht von uns Menschen zurückgezogen, weil wir
so böse sind, sondern weil wir uns von Gott zurückgezogen haben, sind wir böse!
Und der
Hymnus, den wir eben gehört und gelesen haben, spricht nun von der frohen
Botschaft, dem Evangelium, dass Gott selber den Graben überwunden hat. Wir müssen
nicht göttlich werden, um erlöst zu werden, um ewig zu leben, sondern Gott wird
menschlich und erlöst uns. Im Glauben lassen wir das Realität in unserem Leben
werden, bekommen wir Anteil daran.
Alte
Kamellen. Mitnichten? Ich denke nicht. Die Frage, ob wir göttlich werden
müssen, stellt sich heute noch mehr als früher.
-
Was hast du denn heute an?
-
Könnt ihr euch keinen Friseur leisten?
-
Du bist wie eine Wolke, wenn du dich verziehst,
kann es noch ein schöner Tag werden.
-
Du bist so überflüssig wie ein Sandkasten in der
Sahara.
Wir
müssen perfekt sein. Immer mehr Mädchen und mittlerweile auch Jungen legen sich
schon unters Messer um perfekt auszusehen. Das Leben muss immer und überall
Spaß machen, immer und überall muss man cool sein. Sonst ist man out. Die Botschaft vom Heil in Jesus sagt: Nicht
du musst perfekt sein, um dem Leben, um Gott nahe zu kommen, sondern Gott, das
Leben, kommt dir nahe, er hat die Menschlichkeit zu seinem Wohnort gemacht.
Deshalb: Du bist bejaht. Er sieht dich an, deshalb bist du angesehen.
2. Unser Text spricht davon, dass das ganze
„Heilsgeschehen“ in Jesus Christus eine Bewegung ist:
Jesus
kommt aus der Ewigkeit auf die Erde, aus der Göttlichkeit in die
Menschlichkeit. Mehr Dynamik kann es nicht geben. Hier passiert mehr, als dass
ein Berg versetzt wird. Gott setzt sich in Bewegung, hin zu den Menschen! Ja
gerade zu denen am Rande der Gesellschaft: zu den Schafhirten, den Zöllnern,
den Frauen, den Kindern, den Kranken, den Sündern, … Zäune und Grenzen werden
überrannt. Und wir sollen an dieser Bewegung Anteil haben. Paulus schreibt
deshalb quasi als Kommentar zum Hymnus:
4 Denkt nicht an euren eigenen Vorteil,
sondern habt das Wohl der anderen im Auge.
5 Seht auf Jesus Christus:
Gott
nimmt Menschen mit in seine Bewegung hinein. Der Mensch soll sich mitreißen
lassen. Er soll weiter geben, was er erfahren hat. Jesus hat seine Jünger nicht
zu Debatten gerufen, sondern in die Nachfolge. Er ruft Menschen dazu auf, der
Bewegung Gottes in diese Welt hinein, zu den Menschen hin, mit zu machen
Und
wenn wir das nun in den Blick nehmen, ergeben sich zwei Antworten auf unsere
beiden Fragen: Wer bin ich? Und was soll ich tun?
1. Wer
bin ich? Wie beschrieben geht es um eine Bewegung: Gott wird Mensch. Er
zerreißt sich aus Liebe zu uns. Er will nicht länger allein bleiben. Er ist
verliebt in uns. Gott liebt uns. Ich habe in meinem OS Reli-Kurs eine lebhafte
Diskussion ausgelöst, als ich sagte: Gott mag uns, oder genauer: Er mag dich.
Das war meinen Schülern zu viel. Er liebt uns – ok. Wir sind eben keine ganz
tollen, perfekten Typen - lieben kann er
uns also. Liebe schaut ja über Schwächen hinweg. Aber das glauben wir
nicht: Dass einer, der uns kennt, uns
auch mag, Aber: Gott kennt uns und Gott
mag uns. Er sehnt sich nach uns. Jesus herzte die Kinder. Er saß gerne mit
Zachäus am Tisch und aß und voller Freude berührte er den Blinden, dass er
wieder sehen konnte. Er fand diese Menschen alle nicht abstoßend. Damit ist die
Frage: Wer bin ich? Nicht der oder jener, sondern der, der gemocht wird, der
geliebt ist, nach dem sich jemand sehnt, nämlich Gott. Bonhoeffer beendete sein
Gedicht mit diesem Trost: Wer
ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
Der Theologe Tony Campolo erzählt: Als mein Sohn Bart noch
klein war, hatte er eine Lieblingsdecke. Er mochte sie so gerne, dass er ihr
sogar einen Namen gab. Er nannte sie "mein Gelb". Immer, wenn Bart müde
oder quengelig war, brauchte er sein Gelb. Er brauchte es nur an sein Gesicht
zu drücken und schon war er getröstet und seine kleine Welt war wieder in
Ordnung. Die Decke war vollkommen unverzichtbar und ständig in Gebrauch.
Irgendwann zerteilten wir sie in zwei Teile, sodass er immer eine Hälfte haben
konnte, während die andere in der Wäsche war. Mit der Zeit begann die Decke
sich aufzulösen. Sie wurde zu einem Fetzen. Doch wenn Bart durchdrehte, half
einfach nichts anderes. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir einmal
spätabends nach Hause fuhren und Bart auf dem Rücksitz einfach nicht zur Ruhe
kommen konnte. "Gib ihm doch das Gelb' , sagte ich zu meiner Frau. Sie war
geschockt und meinte: "Aber ich habe dir doch vorhin beim Gehen gesagt, du
sollst das Gelb nicht vergessen. Hast du es denn nicht eingepackt?" Nicht,
dass Sie einen falschen Eindruck von uns bekommen: Wir haben uns natürlich
nicht gestritten, denn dies war ja ein Moment, in dem unser Not leidender Sohn
uns beide geeint an seiner Seite brauchte. Wenn Sie das Gelb damals gesehen
hätten, dann hätten Sie es für einen wertlosen Fetzen Stoff gehalten, aber für
uns war es von unschätzbarem Wert. Sein Wert kam nicht aus sich selbst heraus,
er beruhte darauf, dass es jemandem, den wir liebten, so unendlich wichtig
war. Das Gleiche gilt auch für Sie. Ihr Wert gründet sich nicht auf Ihre
Leistungen, sondern darauf, dass Sie Gott so unendlich wichtig sind. Sie sind
wertvoll, weil Gott Sie liebt. Darum können wir einem Menschen auch niemals
seinen Wert nehmen, weil der Herr des Universums ihn liebt.
Egal,
wo ich gerade bin, egal wer ich gerade bin: ich bin der Geliebte Gottes, ich
bin die Geliebte Gottes. Wer mal so richtig verliebt war, weiß: Das Lächeln
über dieses Gefühl verliebt zu sein und geliebt zu sein, ist bestimmend.
Es ist egal, wo ich gerade bin: ob im
Auto, in der Schule, Im Keller oder auf der Bühne: die Liebe bestimmt mich. Und ich fasse das
Vertrauen, dass die Bruchstücke meines Lebens am Ende doch zu einem Ganzen zusammengefügt
werden. Dass die Fragmente meines Lebens einen Sinn ergeben. Die Liebe macht
aus dem Puzzle des Lebens ein Bild und ist zugleich der Kleber, der alles
fixiert und am Platz hält. (2x) Ganz dicht zusammengefasst hat das
Hans-Joachim Eckstein in einem Gedicht
Ich
fühle, also bin ich.
Ich
arbeite ...
Aber
begründet das mein Leben?
Was
mich zutiefst bestimmt und erfüllt,
ist
mein Bezogensein auf dich.
Denn
du liebst mich – also bin.
Ich
bin von Dir geliebt – das bin ich
Hans-Joachim
Eckstein
Weil
wir von Gott angesehen sind, sind wir angesehene Menschen.
Und nun
zu der Frage: was soll ich tun? Mach
die Bewegung hin zu den Menschen mit, mach’s wie Gott und werde
menschlich. Und da es sich um eine Bewegung
handelt, gibt es dafür keine Plätze und keine Linien, da bleibt es jeden Tag
ein Wagnis herauszufinden, was das heißt. Cenk Batu im Tatort schafft es
inmitten einer schwierigen Mission in Amelie immer den Menschen zu sehen.
Gelingt uns das auch? Immer mal wieder? Natürlich sprechen viele Stimmen
dagegen: in dem, der mir quer kommt, im Konkurrenten, in dem, der einen Fehler
gemacht hat, der vielleicht abgeschrieben hat, im strengen Lehrer, in den
versagenden Eltern, in dem nörgelnden Nachwuchs, usw. den Menschen zu sehen und
ihm ein Mitmensch zu werden. Dieter Braun vom Evangelischen Jugendwerk in
Stuttgart, schreibt: Was könnte das in deinem Freundeskreis heißen, wie ein
Stern im Dunkeln zu sein, wenn es zum Beispiel um folgende Fragen geht: Wie man
sich auf der nächsten Sauf-Fete verhält. Wer wie viel Geld hat und welche
Kleidung er oder sie trägt und was das für seine Stellung in der Clique
bedeutet. Ob du dabei bist, wenn der Schwächste in der Klasse wieder gemobbt
wird?
Tamara
Hinz, in meinen Augen eine der besten aktuellen deutschsprachigen Autoren,
schreibt in ihrem Buch „Der Himmel ist mein Wäschetrockner“ von einer
Begebenheiten, die dieses noch einmal konkretisiert:
10. November
Ich
sitze mal wieder beim Friseur und informiere mich gerade in einer Zeitschrift
über die neusten Trends in Sachen Haupthaargestaltung. Während ich mich noch
über den mangelnden Realitätsbezug der Stylisten ärgere, geht hinter mir die
Tür zum Salon auf und eine ältere Frau kommt herein: schmierige, fettige Haare
in gefärbtem Schwarz, ein uralter, nicht weniger schmieriger Mantel und eine
Plastiktüte in jeder Hand. Na denke ich, jetzt wird es interessant. Bin
gespannt, wie die Fräuleins aus diesem schicken Friseursalon mit dieser
augenscheinlich ziemlich ungepflegten und heruntergekommenen Person umgehen.
Kann mir schon lebhaft den indignierten Gesichtsausdruck bei ihrem Anblick
vorstellen, hilflose und angewiderte Blicke zu den Kolleginnen, wenn's um
Haarewaschen geht und von diesen hämisches und schadenfrohes Gekicher. Rücke
unauffällig meinen Stuhl so zurecht, dass ich im Spiegel genau das Geschehen
hinter mir beobachten kann. Was ich jetzt zu sehen bekomme, habe ich nicht
erwartet: Ein schickes Fräulein begrüßt die Kundin mit einem strahlenden
Lächeln wie einen lang ersehnten Gast. Höflich nimmt sie der Frau den Mantel
ab und hängt ihn ordentlich zwischen die Designermäntel der anderen Damen. Sie
nimmt ihr die Plastiktüten ab und stellt sie behutsam hinter die Ladentheke
(»damit nichts wegkommt«). Dann geleitet sie die Frau zum Waschbecken und
bittet sie Platz zu nehmen. Jetzt, denk ich, kommt der Moment, an dem sie mehr
oder weniger unauffällig ihren Kolleginnen viel sagend Blicke mit verdrehten
Augen zuwerfen wird. Fixiere genau das Gesicht de schicken Fräuleins. (Muss
mich dafür etwas verrenken, aber ich tu als müsste ich leichte Streckübungen
gegen eine imaginäre Verspannung im Nacken durchführen.) Nichts, ehrlich, nicht
das leiseste Zucken. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck wäscht und massiert
sie den Kopf der Dame als handele es sich um die Queen persönlich. Sie bringt
sie wieder zu ihrem Platz und fängt an zu schneiden. Dann beendet sie ihr Werk
mit einem flotten Styling, hilft der Frau wieder in ihren Mantel, geht mit ihr
zur Kasse, gibt ihr die schmuddeligen Tüten zurück und geleitet sie dann zur
Tür. Ohne mit der Wimper zu zucken geht sie zur nächsten Kundin und fragt sie
höflich und mit unverhohlener Freundlichkeit, was sie denn für sie tun könne.
Ich gebe meinen Späherposten auf und habe den Eindruck als habe mir Jesus
gerade eine sehr anschauliche Lektion erteilt. »Das «, so scheint er mir sagen
zu wollen, »meine ich wenn ich sage,
dass du deinen Glauben und dein Zugehen auf andere freihalten sollst vom Ansehen
der Person.« Und noch etwas « fast meine ich das Lächeln auf einem Gesicht
sehen zu können, »wer weiß wann dich das nächste Mal jemand so genau
beobachtet und sich wegen dir fast den Hals ausrenkt - also benimm dich!«
Was
soll ich tun? So wie Jesus den Menschen ein Mitmensch werden.
Wer bin
ich? Der Geliebte, die Geliebte Gottes – das bin ich! Amen